Eine Reportage über eine ungewöhnliche Biografie und wie Bildung das Leben ver ndern kann. Wo vor rund fünfzig Jahren Sklavenhalter ihre Zelte aufbauten und das Dorf Ain Salama entstand, erstreckt sich nur noch die Wüste Mauretaniens unter einem grenzenlos blauen Himmel und brennender Sonne. Hier parkt Brahim Ramdhane, 55, Ende August seinen Wagen. 160 Kilometer ist er mit dem Auto aus der Hauptstadt Nouakchott hergekommen auf der Suche nach Spuren seiner Vergangenheit. Lederne Flipflops trennen seine Füße vom glühenden Sand. Ramdhane starrt auf eine rostige Metallplatte auf einem weiß getünchten Brunnen und erinnert sich an seine Kindheit. Als Fünfjähriger zog er Wasser aus dem 60 Meter tiefen Schacht. Er erinnert sich an die furchtbare Hitze, in der er schuften musste. „Brahim, hol Wasser“, „Brahim, such die Esel“, befahlen seine Master damals. Wenn er hinaus zu diesem Brunnen rannte, bekleidet nur mit einem Lendenschurz oder alten Lumpen, brannte der Sand unter seinen nackten Füßen. Damals war er ein Sklave. Brahim Ramdhane bekommt Anfang der 1970er Jahre einen Schulplatz, weil es in seinem Normadendorf aus Zelten in der mauretanischen Wüste nicht genügend freie Kinder für die erste Klasse gibt. Trotz seines Status als Sklave lernt er so die Welt und ihre Ungerechtigkeit verstehen. Er befreit sich und wird Aktivist gegen Unterdrückung und Leibeigenschaft. Heute kämpft er dafür, dassKinder ehemaliger Sklaven auf eine gute Schule gehen können.